Donnerstag, 14. April 2022

Ein Galerist über Defizite bei der Förderung, stille Leiden, Mondpreise und überraschenden Dank des Publikums.Corona torpediert das Schul-, Alltags- und Familienleben. Die Pandemie macht der Gastronomie, der Hotellerie und anderen Wirtschaftszweigen zu schaffen. Zu Recht diskutieren die Menschen, welche Maßnahmen sinnvoll sind. Aber wie ergeht es der Kunst und Kultur und den Leuten, die ihr haupt- und nebenberuflich verbunden sind? Wie kommen sie mit der vertrackten Lage klar? David Schahinian befragte den Schwalbacher Galeristen und Kurator Peter Elzenheimer, der eng mit der Stadt Bad Soden kooperiert.
Herr Elzenheimer, wann haben Sie zuletzt unbefangen eine Ausstellung besichtigen können? PETER ELZENHEIMER: Das ist leider schon etwas länger her. Es war die Ausstellung des schwedischen Künstlerpaares Nathalie Djurberg und Hans Berg in der Frankfurter Schirn 2019. Malerei, Figuren und Musik wurden dort zu einem Gesamtkonzept zusammengeführt, das mich sehr berührt hat. Leider kommen Ausstellungsbesuche bei mir momentan zu kurz. Zum einen, weil es wenig Gelegenheiten gibt. Zum anderen, weil die Arbeit in der Galerie zugenommen hat. Inwiefern? Der Organisations- und Kommunikationsaufwand ist gestiegen. Ausstellungen werden verschoben oder können nur unter den jeweils geltenden Corona-Hygiene- und -Sicherheitsvorgaben durchgeführt werden. Vieles ändert sich fortlaufend. Gleichzeitig plane ich kommende Ausstellungen, die immer einen langen Vorlauf haben. Wie sind Sie mit der Galerie bislang durch die Pandemie gekommen? Besser als zunächst gedacht. Ich arbeite aber überwiegend mit etablierten Künstlern zusammen, die wir über Jahre aufgebaut und die mittlerweile eine große Fangemeinde haben. Die Bad Sodener Ausstellung mit Carin Grudda, die ich seit 1997 vertrete, wurde beispielsweise sehr gut angenommen. Das Aufbauen bislang unbekannterer Künstler und ihrer Werke liegen mir auch weiterhin am Herzen, ist momentan aber leider nur schwer möglich. Gibt es aus Ihrer Sicht Künstlergruppen, die besonders unter den Folgen der Pandemie leiden? Ich denke da vor allem an darstellende Künstler wie Tänzer, Theater-Schauspieler oder Musiker. Täuscht der Eindruck, dass notleidende Künstler sich teilweise genieren, ihre schlechte Lage zuzugeben? Ich kann nur für den Bereich der bildenden Kunst sprechen, und da habe ich den Eindruck, dass das eher eine Frage der Persönlichkeit ist. Manche leiden grundsätzlich still, andere sehen Dinge insgesamt positiver. Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die staatliche Unterstützung? Anfänglich haben nur relativ große Institutionen mit einem entsprechenden Kostenapparat schnelle Hilfe erfahren. Der einzelne Künstler wurde dabei vergessen. Das hat sich etwas gebessert. Ich kenne mittlerweile einige, die Corona-Hilfen beantragen konnten - und sie auch bekommen haben. Wo und wie müsste die Politik Ihrer Meinung nach nachbessern? Was fehlt, ist eine öffentliche Förderung - etwa durch die Ausschreibung von Projekten oder Preisen. Am meisten würde helfen, Kunst für öffentliche Räume anzukaufen. Solche Ankäufe ermöglichen es den Künstlern und den Galeristen, ihre Arbeit fortzuführen. Das Internet und soziale Medien bieten heute viele Möglichkeiten, sich zu präsentieren. Sehen Sie das als Konkurrenz? Ich sehe sie eher als Ergänzung. Erst in dem Moment, wenn man ein Werk sieht, entdeckt, erlebt, erst mit der Auseinandersetzung damit wird es zur Kunst. Die Freude daran zu entwickeln, das kann eine Online-Präsentation niemals leisten. Sie kann aber hilfreich sein, wenn ein Künstler bereits bekannt ist und über Neues informieren will. Apropos Bekanntheit: Wie kann es sein, dass viele eher unbekannte Künstler Mühe haben, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, für Werke einiger populärer Künstler aber Mondpreise bezahlt werden? Dabei kommt es meiner Auffassung nach viel auf die Wertschätzung des Künstlers und seiner Werke bei den Sammlern an. Letztlich bildet sich hier in der Kunst aber nur das ab, was in der Gesellschaft auch zu beobachten ist: Viele Menschen arbeiten zum Mindestlohn, während manch ein Vorstandsvorsitzender viele Millionen Euro verdient. 10, vielleicht 15 Prozent der Künstler durchlaufen eine stetig steigende Wertentwicklung, in der sich immer herausragende, besondere und wichtige Ausstellungen in Galerien und Museen spiegeln. Die Höhen, in der Millionen für ein Werk bezahlt werden, erreichen aber nur die wenigsten. Letztlich regelt das der Markt über Angebot und Nachfrage. Wo sehen Sie dabei Ihre Aufgabe als Galerist? Für mich ist das Wichtigste, alles dafür zu tun, damit von mir vertretene Künstler Preise erzielen, die ihr Auskommen sichern und ihnen ermöglichen, ihre Ideen weiterzuverfolgen. Ich und mein Team helfen Künstlern bei der Verwirklichung ihrer Visionen, indem wir Möglichkeiten für sie schaffen, sich ohne räumliche Einschränkung ausdrücken zu können. Wir begleiten sie auf dem Weg durch die vielgestaltige Welt des Kunstbetriebs und unterstützen sie bei ihren künstlerischen Entstehungsprozessen. Das geht wohl kaum ohne Präsenz-Ausstellungen. Wie war das Echo auf die, die Sie trotz Pandemie durchführen konnten? Ich hatte Bedenken, beispielsweise wegen der 2G-plus-Regelung, die den Aufwand für alle natürlich vergrößert. Sie waren zum Glück weitgehend unbegründet. Es geschah sogar etwas, was ich lange nicht mehr erlebt habe: Menschen kamen auf mich zu und bedankten sich, dass die Ausstellung überhaupt stattfindet. Allerdings kann ich die Herausforderungen als Galerist vielleicht etwas einfacher in den Griff bekommen als beispielsweise Event-Manager, weil wir unter anderem verschiedene Zeitfenster für einen Besuch anbieten können. Bei einem Konzert geht das nicht. Sie sind etabliert. Wie blicken Sie auf junge Kolleginnen und Kollegen, die noch am Beginn ihres Galeristenlebens stehen? Für sie ist diese Zeit wahnsinnig schwer. In der Kunst braucht es ein Netzwerk, das einen trägt. Mir sagte man, dass es zehn Jahre braucht, bis eine Galerie richtig läuft. Letztlich hat es sogar noch etwas länger gedauert. Ein solches Netzwerk unter den aktuellen Bedingungen aufzubauen, ist fast unmöglich. Weil Vertrauen in diesem Bereich eine besonders große Rolle spielt? Ja, auch gegenüber Kunden. Sie müssen mir vertrauen, dass der Preis, den Sie für ein Kunstwerk zahlen, koscher, sprich: erlaubt, ehrlich, fair und stimmig ist. Sich dieses Vertrauen zu erarbeiten, braucht Zeit und persönliche Gespräche. Videotrailer zur Ausstellung Alles Schöne ist Geheimnis Link: https://player.vimeo.com/video/667699578?h=1be2e4cd9a